Hinreichend konkrete Behandlungsentscheidung in Patientenverfügung

BGH, Beschluss vom 06.07.2016 - XII ZB 61/16

Hinreichend konkrete Behandlungsentscheidung in Patientenverfügung, BGH, Beschl. v. 06.07.2016

Amtliche Leitsätze des BGH

a) Der Bevollmächtigte kann in eine der in § 1904 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB genannten Maßnahmen nur einwilligen, nicht einwilligen oder die Einwilligung widerrufen, wenn der Vollmachttext hinreichend klar umschreibt, dass sich die Entscheidungskompetenz des Bevollmächtigten auf die im Gesetz genannten ärztlichen Maßnahmen sowie darauf bezieht, sie zu unterlassen oder am Betroffenen vornehmen zu lassen. Hierzu muss aus der Vollmacht auch deutlich werden, dass die jeweilige Entscheidung mit der begründeten Gefahr des Todes oder eines schweren und länger dauernden gesundheitlichen Schadens verbunden sein kann.

b) Einem für einen Betroffenen bestehenden Betreuungsbedarf wird im Zusammenhang mit der Entscheidung zur Durchführung von lebensverlängernden Maßnahmen im Sinne des § 1904 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB durch eine Bevollmächtigung erst dann nicht ausreichend Genüge getan, wenn offenkundig ist, dass der Bevollmächtigte sich mit seiner Entscheidung über den Willen des Betroffenen hinwegsetzen würde.

c) Die schriftliche Äußerung, "keine lebenserhaltenden Maßnahmen" zu wünschen, enthält für sich genommen nicht die für eine bindende Patientenverfügung notwendige konkrete Behandlungsentscheidung des Betroffenen. Die insoweit erforderliche Konkretisierung kann aber gegebenenfalls durch die Benennung bestimmter ärztlicher Maßnahmen oder die Bezugnahme auf ausreichend spezifizierte Krankheiten oder Behandlungssituationen erfolgen.

Gegenstand der Entscheidung waren zwei Patientenverfügungen. In diesen war mit identischen Wortlaut niedergelegt, dass unter anderem dann, wenn aufgrund von Krankheit oder Unfall ein schwerer Dauerschaden des Gehirns zurückbleibe, "lebensverlängernde Maßnahmen unterbleiben" sollten. An die "Patientenverfügung" angehängt war die einer ihrer drei Töchter erteilte Vorsorgevollmacht, an ihrer Stelle mit der behandelnden Ärztin alle erforderlichen Entscheidungen abzusprechen, ihren Willen im Sinne dieser Patientenverfügung einzubringen und in ihrem Namen Einwendungen vorzutragen, die die Ärztin berücksichtigen solle.

Nachdem die Verfügende einen Hirnschlag erlitten hatte, wurde ihr im Krankenhaus eine Magensonde gelegt, über die sie seitdem ernährt und mit Medikamenten versorgt wird. Nach einem Jahr verlor sie infolge einer Phase epileptischer Anfälle im Frühjahr 2013 die Fähigkeit zu kommunizieren.

Die Angehörigen waren nun unterschiedlicher Auffassung, ob der Abbruch der künstlichen Ernährung dem Willen der Verfügenden entspreche und brachten den Fall vor Gericht.

Laut BGH kommt der Inhalt der Patientenverfügungen nicht als bindende, auf den Abbruch der künstlichen Ernährung gerichtete Willensäußerungen in Betracht. Sie beziehen sich nicht auf konkrete Behandlungsmaßnahmen, sondern benennen ganz allgemein "lebensverlängernde Maßnahmen". Auch im Zusammenspiel mit den weiteren enthaltenen Angaben ergebe sich nicht die für eine Patientenverfügung zu verlangende bestimmte Behandlungsentscheidung.

Fundstelle

BGH, Beschl. v. 06.07.2016 - XII ZB 61/16

Datum

Rechtsgebiet Krankenhausrecht

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