Glossar: Digitalisierung im Gesundheitswesen

Was müssen Sie vorhalten, was können Sie in Anspruch nehmen und was ist für die Zukunft geplant? Die Digitalisierung erfordert ein gewisses Maß an technischem Verständnis und ist von zahlreichen Abkürzungen geprägt. Mit unserem Beitrag möchten wir Ihnen die technischen Zusammenhänge und rechtlichen Voraussetzungen verdeutlichen und Ihnen vor allem den Überblick im Abkürzungsdschungel der Digitalisierungsbegriffe erleichtern.

Das Wesentliche in Kürze

Die Grundlage für die Digitalisierung im Gesundheitswesen bietet die Telematikinfrastruktur – kurz:TI -. Sie bietet Versicherten und Leistungserbringern verschiedene Anwendungen. Diese lassen sich in Pflichtanwendungen und freiwillige Anwendungen unterscheiden.

Die Pflichtanwendungen sind für alle Mitglieder der gesetzlichen Krankenkassen verbindlich. Solche sind:

  • Online-Abgleich der Versichertenstammdaten auf der elektronischen Gesundheitskarte,
  • das elektronische Empfangen und Einlösen einer Verordnung (eVerordnung) mit der Karte sowie
  • die Verwendung der Europäischen Krankenversicherungskarte (EHIC) auf der Rückseite.

Ob Versicherte das Angebot der freiwilligen Anwendungen nutzen wollen, entscheiden sie hingegen ganz allein. Freiwillige Anwendungen sind:

Begriffe leicht gemacht!

TI: Die Telematikinfrastruktur

Die TI ist das digitale Kommunikationsnetz, das Ärzten, Krankenhäusern und Apotheken ermöglicht, in sicherer, strukturierter und medienbruchfreier Weise medizinische Informationen ihrer Patienten zur Weiterbehandlung elektronisch auszutauschen.

Die TI zielt auf eine sichere sektoren- und systemübergreifende Vernetzung der Akteure des Gesundheitswesens ab.

Die Sicherheit der Daten hat oberste Priorität. Sie wird dadurch erreicht, dass die TI wirksam vom „restlichen“ Internet getrennt ist. So entsteht ein geschlossenes Netz, ein Virtuelles Privates Netz (VPN), zu dem nur registrierte Nutzer mit einem elektronischen Ausweis Zugang erhalten.

Im Rahmen der TI werden den Versicherten, Ärzten und Psychotherapeuten verschiedene (im Folgenden skizzierte) Anwendungen angeboten.

Anwendungen

VSDM: Versichertenstammdaten-Management

Das VSDM die erste – verpflichtende ­ Anwendung, mit der die TI 2018 an den Start gegangen ist.

Es handelt sich um einen Online-Abgleich bei dem Ärzte und Psychotherapeuten überprüfen, ob ein gültiges Versicherungsverhältnis besteht und ob die auf der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) gespeicherten Versichertenstammdaten aktuell sind. Zu den geprüften Stammdaten gehören:

  • Name,
  • Geburtsdatum,
  • Anschrift und Versichertenstatus des Versicherten sowie
  • ergänzende Informationen, zum Beispiel zum Zuzahlungsstatus. Sie dienen als Grundlage für die Abrechnung der Leistungen.

Prüfung und Aktualisierung erfolgen automatisiert beim Einlesen der eGK im E-Health-Kartenterminal. Dabei läuft der Datenabgleich automatisch über die TI zwischen der Praxis und dem Versichertenstammdatendienst (VSDM-Dienst) der Krankenkasse ab. Liegen bei dieser neue Daten vor, werden die Daten auf der elektronischen Gesundheitskarte aktualisiert und können per Knopfdruck ins Praxisverwaltungssystem (PVS) übernommen werden.

Die Durchführung des VSDM ist für Ärzte, Psychotherapeuten und Zahnärzte, die an der Versorgung gesetzlich Versicherter teilnehmen und bei denen ein direkter Art-Patienten-Kontakt in den eigenen Praxisräumen stattfindet, verpflichtend. Von der Pflicht zur Durchführung des VSDM sind lediglich Laborärzte, Pathologen und Transfusionsmediziner sowie Anästhesisten ohne direkten Arzt-Patienten-Kontakt oder wenn der Kontakt nicht in den eigenen Praxisräumen stattfindet (z.B. unter Verwendung eines mobilen Kartenlesegerätes), befreit.

Praxen, die dieser Verpflichtung nicht nachkommen, muss das Honorar laut Gesetz um aktuell 2,5 Prozent gekürzt werden. Seit 1. Juli 2020 sind auch nicht VSDM-pflichtige Arztgruppen zur Anbindung an die TI verpflichtet. Darüber hinaus müssen sich auch ermächtigten Ärzte, ermächtigte Psychotherapeuten und ermächtigte Einrichtungen sowie auch sämtliche Krankenhäuser, bis Jahresende 2020 an die TI anschließen und ab dem 1. Januar 2021 das VSDM durchführen.

Ausbaustufen der TI seit Sommer 2020

NFDM: Notfalldatenmanagement

Das NFDM besteht aus dem Notfalldatensatz (NFD) und dem Datensatz Persönliche Erklärungen (DPE). Die Datensätze sind getrennt voneinander und nur mit Zustimmung des Patienten durch einen Arzt auf der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) zu speichern. Die Zustimmung ist ebenfalls für das Auslesen und Aktualisieren erforderlich. In Notfallsituationen ist das Auslesen der Notfalldaten durch Ärzte und Notfallrettungskräfte auch ohne die Zustimmung des Patienten erlaubt.

Der Notfalldatensatz (NFD) enthält notfallrelevante medizinische Informationen. Dazu zählen Angaben:

  • zum Patienten,
  • zu Diagnosen,
  • zur Medikation, sowie
  • zu bestehenden Allergien und Unverträglichkeiten.
  • Ferner können Kontaktdaten von behandelnden Ärzten und Personen, die im Notfall benachrichtigt werden sollen sowie weitere Hinweise gespeichert werden.

Der NFD muss mit dem elektronischen Heilberufsausweis (eHBA) des Arztes signiert werden, womit er rechtsgültig unterzeichnet wird. Neben Ärzten sind auch Zahnärzte berechtigt einen NFD anzulegen, zu aktualisieren und auszulesen. Psychotherapeuten und Apotheker dürfen den NFD mit Zustimmung des Patienten einsehen.

Der Datensatz Persönliche Erklärungen (DPE) wird hingegen nicht vom Arzt signiert. Er enthält Hinweise auf den Aufbewahrungsort etwaiger persönlicher Erklärungen des Versicherten, wie dem Organspendeausweis, der Patientenverfügung und der Vorsorgevollmacht.

Technische Voraussetzungen für die Anwendung des NFDM:

Die Anwendung des NFDM in der Praxis erfolgt nicht automatisch mit Anbindung an die TI. Vielmehr bedarf es weiterer technischer Voraussetzungen, wie

  • einem E-Health-Konnektror,
  • ein Update des PVS mit dem NFDM-Modul oder eine Stand-Alone-Lösung, die nicht in das PVS integriert ist (sofern letztere im Einzelfall noch zulässig ist).
  • SMC-B Karte (Praxisausweis)
  • stationäres Kartenterminal (KT) (evtl. zusätzliches KT im Sprech-/Behandlungszimmer, wenn der signierte NFD direkt auf der eGK gespeichert werden soll).
  • Ferner bedarf es für die elektronische Signatur, mit der der NFD durch den Arzt signiert werden muss, eines elektronischen Heilberufsausweises (eHBA) der 2. Generation (Beantragung erfolgt über Bayerische Landesärztekammer / Psychotherapeutenkammer Bayern).

eMP: elektronischen Medikationsplan:

Der eMP richtet sich primär an Versicherte bei denen mehrere Erkrankungen vorliegen, die mehrere Medikamente einnehmen und/oder an Allergien oder Unverträglichkeiten leiden. Technisch handelt es sich um die digitale Weiterentwicklung des bundeseinheitlichen Medikationsplans (BMP).

Der eMP enthällt Angaben zur Medikation, d.h.

  • zu den verordneten Arzneimitteln und deren Anwendung,
  • zu in der Vergangenheit eingenommen Arzneimitteln oder zur Selbstmedikation.

Zusätzlich sind medikationsrelevante Daten, wie

  • Allergien oder Unverträglichkeiten, aber auch
  • medizinische Individualparameter des Versicherten, wie beispielsweise Alter, Gewicht oder verschiedene Werte (z.b. Kreatininwert) enthalten.

Mit dem Einverständnis der Versicherten können diese Daten von allen am Medikationsprozess Beteiligten eingesehen werden und somit zu einer besseren Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) beitragen. Jeder der Beteiligten ist verpflichtet den Medikationsplan zu aktualisieren und auf der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) zu speichern, sobald die Medikation durch den jeweiligen Arzt geändert wird oder er ausreichend Kenntnis über eine Änderung hat und der Versicherte eine Aktualisierung wünscht.

Der eMP ist für Versicherte freiwillig. Vertragsärzte hingegen müssen den eMP in ihrer Praxis anbieten. Der Arzt prüft vor dem Anlegen der Daten die medizinische Notwendigkeit.

Technische Voraussetzungen für die Anwendung des eMP:

Auch der eMP kann nicht automatisch mit Anbindung an die TI genutzt werden. Es bedarf eines

  • E-Health-Konnektors,
  • SMC-B Karte (Praxisausweis)
  • -stationären Kartenterminals (KT), (evtl. zusätzliches KT im Sprech-/Behandlungszimmer wenn der eMP direkt auf der eGK gespeichert werden soll),
  • eines Updates des PVS mit dem eMP-Modul sowie eine
  • Anbindung an die Arzneimitteldatenbank und
  • ein eHBA.

Erstattung der Pauschalen für NFDM/eMP

Für die Quartale 3/2020 und 4/2020:

  • Bei Vorhaltung eines E-Health-Konnektor, der die Funktionalitäten für NFDM und eMP bereitstellt und
  • Ansetzen der Pseudo-GOP 99016A bei einem beliebigen Schein in Ihrer Abrechnung (KVDT-Feldkennung 5001).

Die Pseudo-GOP 99016A kann für jede BSNR angesetzt werden, die mit dem E-Health-Konnektor verbunden ist. Die Anspruchsberechtigungen für die KTs und die Zusatzpauschale werden automatisch gemäß den Vorgaben der TI-Finanzierungsvereinbarung berechnet.

Erfüllen Sie die Fördervoraussetzung erst ab dem Quartal 1/2021 oder später:

  • Es ist nichts zu unternehmen – d.h. keine Pseudo-GOP ansetzen.
  • Ab dem Quartal 1/2021 wird ein vollautomatischer Auszahlungsprozess etabliert: Es wird ein automatisches Merkmal in der durch das PVS eingereichten Abrechnungsdatei angesetzt, das die Anspruchsberechtigung nachweist.

KIM: Kommunikation im Medizinwesen

KIM ist der Kommunikationsdienst für Gesundheitsberufe innerhalb der TI und steht ab Sommer 2020 zur Verfügung. Er soll zukünftig die Kommunikation über KV-Connect ablösen.

Mit dem sektorenübergreifenden Kommunikationsdienst wird der vertrauliche und verschlüsselte digitale Austausch von Nachrichten und medizinischen Dokumenten zwischen den TI-Teilnehmern ermöglicht. Neben Arzt- und psychotherapeutischen Praxen werden sich auch Krankenhäuser, Apotheken, Kassenärztliche Vereinigungen, Krankenkassen und weitere Einrichtungen an KIM anschließen. Geplant ist, dass zukünftig die gesamte elektronische Kommunikation im Gesundheitswesen über KIM stattfinden kann.

Die Einführung erfolgt schrittweise:

  • Ab dem zweiten Halbjahr 2020 stehen der Versand und Empfang von eArztbriefen und Nachrichten über KIM zur Verfügung –> KIM-Dienst freiwillig.
  • Ab dem 02.2021 wird nur noch der Versand und Empfang von eArztbriefen über die KIM vergütet werden. Die Vergütung wird durch den EBM geregelt.
  • Ab Januar 2021 sind alle Arztpraxen nach dem Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) verpflichtet, die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) über die TI an die Krankenkassen zu senden. (Aktuell wird noch mit dem GKV-Spitzenverband über eine Fristverschiebung auf Mitte 2021 verhandelt.)
  • Abhängig davon benötigen alle Praxen ab 1. Januar 2021 einen KIM-Dienst ­> KIM-Dienst verpflichtend.
  • Weitere Anwendungen, wie KV-Abrechnung, eDokumentationen und DALE-UV sollen folgen.

Technische Voraussetzungen für die Anwendung KIM:

Auch hier erfolgt der Anschluss an die KIM nicht automatisch mit Anschluss an die TI. Vielmehr sind erforderlich:

  • E-Health-Konnektor,
  • Update des PVS und
  • Vertrag mit einem durch die gematik zugelassenen KIM-Dienstanbieter, der eine KIM-Adresse vergibt und ein KIM-Client-Modul zur Verfügung stellt.
  • SMC-B Karte (Praxisausweis),
  • stationäres Kartenterminal und
  • elektronischen Heilberufsausweis (eHBA) der 2. Generation für die qualifizierte elektronische Signatur.

ePA: Elektronische Patientenakte

Die elektronische Patientenakte (ePA) ist das zentrale Element der vernetzten Gesundheitsversorgung und der TI. Ab Januar 2021 müssen die gesetzlichen Krankenkassen ihren Versicherten eine solche ePA anbieten. In dieser können gespeichert werden:

  • Befunde
  • Diagnosen
  • Therapiemaßnahmen
  • Arztberichte und/oder Röntgenbilder und
  • ab 2022 auch der Impfausweis, der Mutterpass, das gelbe U-Heft für Kinder und das Zahn-Bonusheft.

Grundvoraussetzung dafür ist der Wunsch des Patienten zur Führung einer ePA, denn es handelt sich dabei um eine freiwillige Anwendung. Die ePA soll als lebenslange Informationsquelle dienen, die jederzeit einen schnellen und sicheren Austausch der Daten ermöglicht. Voraussetzungen und Umgang mit der ePA werden durch das Patientendaten-Schutzgesetz (PDSG) näher geregelt [Verlinken mit Artikel in der Rheuma Management].

Der Patient kann seine ePA jederzeit alleine einsehen, inhaltlich befüllen oder Inhalte löschen. Der Arzt greift grundsätzlich gemeinsam mit dem Patienten auf dessen ePA zu. Der Arzt nutzt hierfür seinen Praxisausweis und der Patient seine elektronische Gesundheitskarte.

Der Patient entscheidet, wer auf seine Akte zugreifen kann. Er kann dem Arzt eine temporäre Zugriffsberechtigung geben, sodass der Arzt auch ohne Anwesenheit des Versicherten, etwa im Nachgang an einen Behandlungstermin, Dokumente in die ePA einstellen kann.

Von einer medizinisch vollständigen Akte kann ein (weiterbehandelnder) Arzt hingegen nicht ausgehen, da der Patient die Hoheitsgewalt über seine Daten hat und er nicht nur frei entscheiden kann, welche Daten gespeichert oder gelöscht werden, und wer im Einzelfall auf die Daten zugreifen darf. Vielmehr wird den Versicherten ab 2022 ermöglicht, ganz konkret zu bestimmen, welche Datensätze im Einzelfall von wem eingesehen werden können. Nach dem Willen des Gesetzgebers kann es also sein, dass ein Arzt zwar auf die ePA zugreifen darf, ihm aber bestimmte Befunde nicht angezeigt werden.

Glossar: Digitalisierung im Gesundheitswesen

Mit unserem Beitrag möchten wir Ihnen die technischen Zusammenhänge und rechtlichen Voraussetzungen der Digitalisierung verdeutlichen und Ihnen den Überblick im Abkürzungsdschungel erleichtern.

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