Die Pläne der neuen Koalition für niedergelassene Ärzte

Am 10. April 2025 haben CDU/CSU und SPD ihren Koalitionsvertrag für die 21. Legislaturperiode vorgelegt. Nachfolgend soll (auch aus rechtlicher Perspektive) auf die für niedergelassene Rheumatologen bzw. Ärzte allgemein wichtigsten Vorhaben eingegangen werden.

 

Stabilisierung der Beitragssätze
Angesichts hoher Defizite in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) wollen die Koalitionsparteien die Finanzsituation stabilisieren. Hierfür soll eine Expertenkommission eingesetzt werden, die bis zum Frühjahr 2027 konkrete Maßnahmen vorschlagen soll.

Auswirkungen im Leistungsrecht
Die in Corona-Zeiten eingeführten und in der Folge leicht revidiert verlängerten Regelungen zur telefonischen Krankschreibung sollen so verändert werden, dass ein Missbrauch künftig ausgeschlossen ist; beispielhaft nennt der Vertrag hierfür den Ausschluss der Online-Krankschreibung durch private Online-Plattformen, wie er im Internet vielfältig angeboten wird.

2019 wurden Terminservicestellen eingerichtet, die Versicherten innerhalb einer Woche einen Behandlungstermin zu vermitteln haben. Diese Verpflichtung soll in zeitlicher Hinsicht revidiert werden; die Terminvergabe soll sich in Zukunft danach richten, welchen zeitlichen Korridor Primärzte oder die Terminservicestelle der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) für die jeweilige Inanspruchnahme eines Facharztes für erforderlich erachten - damit kann sich die bisher im Gesetz vorgesehene Wochenfrist gegebenenfalls deutlich verlängern.

Einführung eines Primärarztsystem
Der Koalitionsvertrag möchte ein „verbindliches Primärarztsystem" einzuführen. GKV-Versicherte können derzeit Haus- wie Fachärzte unmittelbar in Anspruch nehmen. Überweisungen sind derzeit nur ausnahmsweise erforderlich, nämlich bei Inanspruchnahme von Ärzten für Laboratoriumsmedizin, Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie, Nuklearmedizin, Pathologie, Radiologische Diagnostik bzw. Radiologie, Strahlentherapie und Transfusionsmedizin. Dieses bereits aus der sog. Hausarztzentrierten Versorgung {§ 73b SGB V) bekannte Modell beinhaltet, dass ambulante fachärztliche Behandlung mit Ausnahme der Leistungen der Augenärzte und Frauenärzte erst nach einer hausärztlichen Überweisung möglich ist.

Künftig soll v. a. Hausärzten mit der Einführung eines verbindlichen Primärarztsystems generell eine „Lotsenfunktion" zukommen. Die Koalitionsparteien versprechen sich davon zum einen eine „möglichst zielgerichtete Versorgung" der Patienten bzw. die Vermeidung medizinisch überflüssiger Inanspruchnahme von Fachärzten. Zudem soll hierdurch auch die Terminvergabe beschleunigt werden, da der Hausarzt unnötige Facharztbesuche verhindern soll. Damit erhöht sich aber für die Hausärzte das haftungsrechtliche Risiko. Unterlassen sie behandlungsfehlerhaft die „richtige" Überweisung zu einem geeigneten Facharzt zum erforderlichen Zeitpunkt, haben sie dafür einzustehen.

Für Patienten mit einer spezifischen schweren chronischen Erkrankung (das wird wohl auch Patienten mit rheumatischen Erkrankungen betreffen) sollen jedoch Ausnahmen gelten. So kann es hier zu „Jahresüberweisungen" kommen oder auch ein „Fachinternist als steuernder Primärarzt im Einzelfall" genannt werden.


Regulierung der investorenbetriebenen MVZ
Es soll „Transparenz über die Eigentümerstruktur" geschaffen werden. Ebenso möchte man „die systemgerechte Verwendung der Beitragsmittel" sicherstellen. Den Beteiligten schwebt dabei offenkundig vor, Medizinische Versorgungszentren (MVZ), hinter denen nicht gern.§ 95 Abs. 1a SGB V originär gründungsberechtigte Leistungserbringer, vielmehr Finanzinvestoren stehen, als MVZ-Betreiber zumindest für die Zukunft einzuschränken oder auszuschließen.

Gegenwärtig agieren diese sog. iMVZ dergestalt, dass sie in der Regel als Träger kleiner (oft zuvor und nur für diesen Zweck aufgekaufter) Plankrankenhäuser auftreten. Das wirtschaftliche Interesse dieser Investoren ist meist nicht auf den Betrieb des Krankenhauses gerichtet. Vielmehr dient dieses lediglich als „Steigbügelhalter". Wenn nun im Koalitionsvertrag steht, dass man eine „systemgerechte Verwendung der Beitragsmittel" sicherstellen wolle, dürfte das so zu verstehen sein, dass der Abfluss von Geldern an reine Finanzinvestoren unerwünscht scheint.

Stärkung anderer Gesundheitsberufe
Weiterhin sollen „die Kompetenzen der Gesundheitsberufe in der Praxis" gestärkt werden. Hinter dieser eher kryptischen Formulierung vermutet man, dass qualifizierte nichtärztliche Mitarbeiter in Arztpraxen künftig über das bisherige Maß hinaus Leistungen erbringen dürfen, die bislang dem Arzt vorbehalten sind oder nur während seiner Anwesenheit in der Praxis erbracht und abgerechnet werden dürfen. Dies könnte die Rolle der Rheumatologischen Fachassistenz (RFA) weiter stärken.

Bedarfsplanung
Die Bedarfsplanung soll kleinteiliger werden. Zuständig wäre - jedenfalls gegenwärtig - der Gemeinsame Bundesausschuss, der die Bedarfsplanungs-Richtlinie entsprechend anpassen könnte oder müsste. Damit könnte insbesondere für die Fachgruppen mit geringen Niederlassungszahlen (bei denen zum Teil die Bedarfsplanung sogar nur auf Ebene einer KV erfolgt) die Bedarfsplanung filigraner werden. Gegebenenfalls ergeben sich hier Vorteile für die Rheumatologen.

Entbudgetierung
Weiter ist geplant, einen „Fairnessausgleich zwischen über- und unterversorgten Gebieten" zu schaffen. So soll eine Entbudgetierung der Fachärzte in unterversorgten Gebieten geprüft werden - ob sie kommt, ist demnach ungewiss. Im Übrigen aber sind für unterversorgte, möglicherweise auch drohend unterversorgte Gebiete Honorarzuschläge, für um mehr als 120 % überversorgte Gebiete Honorarabschläge vorgesehen.

Weniger Regresse
Für Regresse niedergelassener Ärztinnen und Ärzte soll eine sog. Bagatellgrenze von 300 € eingeführt werden, unterhalb derer kein Regress stattfinden darf. Nach dem Wortlaut des Koalitionsvertrages würde das - was rechtlich fragwürdig wäre - nicht für MVZ gelten; ob das tatsächlich so gewollt ist, wird sich erst aus einem konkreten Gesetzestext ergeben.

Fazit
Die Inhalte des Koalitionsvertrages sind natürlich nicht verbindlich. Es bleibt abzuwarten, wie viel und in welcher konkreten Ausformung umgesetzt wird. Eins bleibt aber sicher: es wird nicht übersichtlicher.


Die gesamte Publikation lesen Sie hier:
https://www.rheumamanagement-online.de/fileadmin/redaktion/RM_3_2025/2025-3_RM_ohne_AZ.pdf

Autor:
RA Christian Koller, Fachanwalt für Medizinrecht
https://www.kanzlei-medizinrecht-muenchen.de/rechtsanwaelte/christian-koller

Publikation in der:
Rheuma Management, Ausgabe Mai /Juni 2025, S. 24 f.

 

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